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MJg 1964 / Archiv-Direktor „Gesellschaft der Musikfreunde“

Schuld ist die Piaristenkirche. Oder besser gesagt die Noten-Lagerstätte: sie war -total verlottert und durcheinander - die Herausforderung für den Oberstufenschüler, der eigentlich Orgelspielen lernen und in der Kirche praktizieren wollte. Die Noten in eine sinnvolle Ordnung zu bringen – und sei es nur alphabetisch – hat Otto Biba unendlich Spaß gemacht und den Grundstein für seine weitere Entwicklung gelegt.

Noten waren der Schlüssel zu seinem beruflichen Werdegang. Das begann schon im Schulorchester, in dem er „mehr oder weniger engagiert die Geige gekratzt hat“. Das setzte sich im Schulchor fort, dem er seine Stimme lieh. Und das endete bei der Matura, die er auch im Musikfach ablegte. „Damals war man so tolerant, dass man nicht unbedingt ein Instrument spielen musste, sondern auch über Sachthemen reden konnte. Also schlug ich vor, über die Thematik der Notenordnung am Beispiel des Archives in der Piaristenkirche zu referieren. Das wurde akzeptiert und war dann mein Maturathema“. Die in Frage zu stellende Fachkenntnis des Prüfers in diesem speziellen Bereich war offenbar kein Hindernis…

Otto Bibas Erinnerungen an die Schule sind aber nicht nur durch die Piaristenkirche geprägt. Er schwärmt fast von den Professoren, die er in den acht Jahren Gymnasium hatte. „Es waren überzeugte und überzeugende Lehrkräfte, die uns den Freiraum ließen, uns zu entwickeln. Natürlich hat es auch „Schrullis“ gegeben – aber auch sie waren Persönlichkeiten, vor denen wir nie den Respekt verloren. Noch heute ziehe ich gleichsam den Hut vor allen Pädagogen, weil sie uns ernst genommen und mich über das Schulische hinaus positiv geprägt haben“.

Während andere Ferienjobs bei der Post oder so gemacht haben, hat er bei Ausstellungsprojekten gejobbt, musste dafür auch in Archiven stöbern und war bald in diesen Kreisen „ortsbekannt, aber nicht verrufen“ Damals sorgten viele Professoren oder Vortragende aus den Bundesländern dafür, dass ihm es nicht an Beschäftigung fehlte. Sie beauftragten ihn, die notwendigen Materialien in den Archiven herauszusuchen. So auch im Musikverein. Dem Studenten der Musikwissenschaft und Kulturgeschichte wurde eines Tages gesagt, es gäbe einen Job in der Gesellschaft der Musikfreunde. Sein Einwand, er sei ja mit dem Studium nicht fertig, wurde mit der Bemerkung abgetan, dann solle er doch dazuschauen.

1973 wurde er Mitarbeiter im Archiv. Sechs Jahre später dessen Direktor. Wobei Archiv die mehr als oberflächliche und ungenaue Bezeichnung dessen ist, was die Musikfreunde da geschaffen haben. Die korrekte Bezeichnung - Archiv, Bibliothek und Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien – umreißt genauer das weite Feld der Aufgaben. „Die Gesellschaft hat zwei Ziele: Konzerte zu veranstalten und alles zu sammeln, was Musik dokumentiert. Und so besteht diese Sammlung aus Bildern, Instrumenten, Noten, Briefen, usw. Die Vielfalt lässt sich mit keinem herkömmlichen Archiv vergleichen. Wir zählen zu den fünf größten Musikbibliotheken der Welt – aber keine andere hat diese Vielfalt zu bieten wie wir in Wien“.

Der heraushörbare Stolz in diesen Worten ist berechtigt. Die Sammlung ist nicht nur einzigartig. Sie trägt auch dazu bei, die Schwellenangst der Musiker vor den Archiven abzubauen. Gerne erzählt Biba die Anekdote, als Claudio Abbado Materialen benötigte, die in einem Archiv in London lagen. Biba erntete auf diesen Hinweis vom Maestro ein entsetztes „Ich kann in kein Archiv in London gehen“, kontaktierte die Kollegin an der Themse, schaffte Kopien an die Donau und legte diese Abbado in „seinem Archiv“ vor, in dem der Dirigent weder Hemmungen noch Beklemmungen verspürte…

Otto Biba lebt seinen Beruf. Klischees, Archive seien eine trockene Materie lässt er nicht gelten. Zu abwechslungsreich, zu vielfältig, zu spannend sei der Variationsreichtum, der sich unter einem Dach mit dem gelebten, praktizierten Musikbetrieb befindet.

Sein persönlicher Musikbetrieb ist mit den Jahren auf der Strecke geblieben. Kein Instrument mehr zu spielen geht ihm weniger ab als seine Stimme im Chor erschallen zu lassen. Vielmehr lebt er das geflügelte Wort, sein Beruf sei sein Hobby. Auch nach langem Nachdenken kann er kein echtes „Hobby“ nennen – außer vielleicht jenes der Weinkultur. Aber auch da widerstrebt es ihm, sich als Weinkenner zu bezeichnen.

Für seine Berufung ist er rastlos rund um die Welt im Einsatz. Als Mitglied von Vorständen und Beiräten mehrerer internationaler wissenschaftlicher Gesellschaften, als Verfasser zahlreicher Publikationen zur Musikgeschichte des 17. bis 20. Jahrhunderts, als Vortragender in Europa, USA und Japan. Und als Kurator zahlreicher Ausstellungen zur Musik sowie zur Musik- und Kulturgeschichte. „Als Musikwissenschaftler habe ich auch die Aufgabe, das zu zeigen, womit wir uns beschäftigen. Das muss – gleichsam volksbildnerisch – an die Menschen gebracht werden“.

Jeden ersten Samstag im Monat bringt er seine „Geschichten aus dem Archiv“ an die Menschen. Via Radio Stephansdom (107,3 MHz – oder im livestream http://www.radiostephansdom.at/live/stream/) präsentiert er ab 9 Uhr die Noten, die auch Ihr Schlüssel zu neuen Erkenntnissen sein könnten.   HD / Feb. 2013