In den acht Jahren, die ich im Piaristengymnasium verbrachte, verspürte ich mehrmals die Notwendigkeit, gegen den Himmel zu  blicken. Erhoffte ich mir doch die richtige Eingebung, die – in den verschiedenen Klassenräumen – auch fallweise kam...

Bei der mündlichen Matura schickte ich auch Blicke gegen die Decke, die zum Glück von „Erfolg“ beschieden waren. Und da ist sie mir zum ersten Mal aufgefallen: die strahlende Sonne in jenem Fresko, das den Wenigsten während ihrer Schulzeit mehr als einen flüchtigen Blick wert war. Wer es wann gemalt hatte, wurde mir erst Jahre später bekannt und ist mir nun, nach den vielfältigen Recherchen im Zuge der Bibliotheksrenovierung, erst wirklich bewusst. Franz Anton Maulpertsch hat es gemalt. Oder doch nicht? Die Experten waren und sind sich nicht einig. Sie griffen zur diplomatischen Formulierung und haben es dem berühmtesten Barockmaler Wiens „zugeschrieben“. Und sie lieferten auch eine fachmännische Bildbeschreibung: „…die Figur eines Phöbus unter der strahlenden Sonne, Zirkel, Dreieck und aufgeschlagenes Buch auf dem gleichfalls etwas vergrößertem Schild des die Naturwissenschaften verkörpernden bocksfüßigen Putto, und sämtliche Blumengehänge“.

Das Deckenfresko und die Bibliothek haben in den letzten Jahrzehnten dicke Aktenordner im Bundesdenkmalamt (BDA) gefüllt. Einen Zentimeter Papierstärke haben die Altpiaristner 2016/2017 auch dazu beigetragen. Das Projekt, den Fußboden in der Alten Bibliothek zu renovieren, musste begründet, ausgeführt, mit Kostenvoranschlägen belegt und dann „amtlich genehmigt“ werden.

Das war schon in den 50-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Usus. Damals stand man vor dem 250-jährigen Jubiläum des Piaristengymnasiums und wollte öffentliche Mittel für die dringend notwendige Restaurierung des Freskos. Im August 1950 schrieb die Schulleitung:
„Die Direktion richtet an das BDA die Bitte, die Restaurierung des Freskogemäldes zu bewilligen, welches die Decke des Bibliothekssaales schmückt und vermutlich aus der 2.Hälfte des 18.Jahrhunderts stammt. Das Gemälde steht unter Denkmalschutz, ist jedoch durch jahrelange Vernachlässigung einer Restaurierung dringend bedürftig. Die Direktion weist darauf hin, daß das Bundesgymnasium VIII im Jahre 1951 seine 250 jährigen Bestand feiert, und so wäre es wünschenswert, daß das Deckengemälde bis dahin wieder in alter Schönheit dasteht".  195008 Ansuchen DirektionDie Bitte wurde geprüft und im September 1950 wurde das Fresko von Fachleuten begutachtet. Im Bericht hielten sie fest: „Es handelt sich um ein Fresko aus der Schule des Maulpertsch, etwa um 1770. Dargestellt ist Apoll von Putten umgeben. Der Saal weist eine einheitliche Ausstattung aus dem Jahre 1771 auf. Die vor sämtlichen Wandflächen aufgestellten Bibliotheksschränke, sowie Tür- und Fensterverkleidungen, sind noch zur Gänze erhalten. Das Gebäude befindet sich seit 70 Jahren in Benützung des Bundes-Gymnasiums Wien VIII. Für die Instandsetzung ist lt. Vertrag die BGV I …….. voraussichtliche Arbeitsdauer zwei Personen zwei Monate.“ 

Der akademische Maler Alfred Lauer legte einen Kostenvoranschlag von öS 8.000,--, die bei laufendem Fortgang mittels Abschlagszahlungen von monatlichen öS 1.500,--  beglichen werden sollten. Seine durchschnittliche Restaurations-Tagesleistung schätzte er auf einen Quadratmeter pro Tag. Mit seinem Kostenvoranschlag kam er nicht ganz durch. Das BDA beauftragte ihn, in den Monaten November 1950 bis Jänner 1951 an der Restaurierung des Deckenfreskos zu arbeiten: „Sie haben diese Arbeit nach den Weisungen des BDA und bis zu dem vom BDA festgesetzten Ausmaß durchzuführen. Unter Voraussetzung einer 48 stündigen Arbeitszeit pro Woche wird Ihnen für die 3 genannten Monate ein Pauschale von je S 1.500,--  vereinbarungsgemäß ausgesetzt. Als einmalige Entschädigung für die von Ihnen aufgewendeten Materialien steht Ihnen ein Betrag von S 500,-- zu.“

Lauer legte dann das Fresko, wie es heute sichtbar ist, frei. In seinem Instandsetzungsbericht gab er eine ausführliche Bildbeschreibung und hielt im März 1951 u.a. fest: „… das Bild im Spiegel erwies sich als übermalt. Unter der wie die gesamte Scheinarchitektur mit dünner Leimfarbe gemalten Darstellung kam eine Kalkmalerei weit besserer Qualität zutage. Außer ziemlich gleichartiger Übermalung waren vollkommen hinzugemalt: Die Figur eines Phöbus unter der strahlenden Sonne, Zirkel, Dreieck und aufgeschlagenes Buch auf dem gleichfalls etwas vergrößerten Schild des die Naturwissenschaften verkörpernden bocksfüßigen Putto, und sämtliche Blumengehänge.
Der Blumenkranz, mit dem der die Geisteswissenschaften vorstellende Putto von seinem geflügelten Genius gekrönt wird, ist in Kalk ausgeführt. Die Wolken waren, besonders gegen den Rand des Bildausschnittes hin, in verändernder und präziserer Form (ballenartig) übermalt. Bis auf die Blumen wurde die gesamte Übermalung vollständig abgetragen, und zwar mit heißem Wasser, Pinsel und Schwamm… 
...An den figürlichen Darstellungen waren – abgesehen von winzigen Absplitterungen und der Befestigung loser Partien des Malmörtels durch Injektion und mittels Presse – keine Schäden zu richten. Die Fehlstellen wurden alle, unter Benützung selbst der bescheidensten Reste, in gleichartiger Technik rekonstruiert. Allzu flüchtig hingestrichene Partien im Fleisch (Genius mit dem Brennspiegel) wie auch nicht mehr ohne Schaden zu entfernende  Spuren von Steckfleckenbildung wurden belassen“. 

Der Restaurator konnte sich auch eine kritische Bemerkung nicht verkneifen. Wie sinnvoll sie ist, bzw. wie praktisch umsetzbar, sei dahingestellt: „Die ganze Decke würde ganz anders zur Wirkung kommen, wenn Fenster und Fußboden um ein Stockwerk tiefer lägen, das direkte Seitenlicht also wegfiele und die Distanz die doppelte wäre.“
Und er dokumentierte auch die mühevolle Arbeit, zeigte sich aber durchaus optimistisch, was die Haltbarkeit des Freskos nach der Renovierung betraf:
„Die Wiederherstellung der  Architekturmalerei, die die meiste Zeit beanspruchte, war in noch ärgerer Weise ein Kampf mit dem Drachen, umso mehr sich die erwogene Übergehung der glatten Flächen mit einheitlicher Lasur als nicht durchführbar erwies…..wenn nicht wieder Veränderungen durch die Benützung und Bauschäden entstehen,  kann die Erhaltung als gesichert gelten.“

Lauers Optimismus bewahrheitete sich gut 30 Jahre.
1985 stand die nächste Renovierung im Raum.
 „…, daß das BDA die Restaurierung des Franz Anton Maulpertsch zugeschriebenen Deckengemäldes und der Bibliothek (Festsaal) des Piaristengymnasiums im ehemaligen Löwenburgischen Konvikt für dringend notwendig erachtet…… vor Beginn der Arbeiten sollten die Elektroinstallationen in diesem Raum überprüft und notfalls instandgesetzt werden. Ein vom BDA befürworteter Wunsch der Direktion des BG VIII wäre die Wiederherstellung des ursprünglichen Parkettbodens“.

Die vom akademischen Restaurator Mag.art. August Kicker bezifferten Kosten von etwa
S 140.000,-- (zuzüglich MWSt) wurden genehmigt und er bekam den Auftrag. Der lief aber nicht zu jedermanns Zufriedenheit. Schuldirektor Hofrat Schmidgruber deponierte sein Missfallen. Im Begehungsbericht aus dem Februar 1985 liest sich das so:
„… Die Restaurierung ist nicht als gelungen zu bezeichnen. Einer diesbezüglichen Frage des Direktors des Piaristengymnasiums, Hofrat Schmidgruber, war zunächst nur zu entgegnen, daß die Sicherungsarbeiten an der Decke und die Reinigung des Gemäldes einwandfrei ausgeführt wurden, infolge des starken Verlustes an ursprünglicher künstlerischer Substanz jedoch ein enttäuschendes Ergebnis vorliege. Der Substanzverlust ist auf die vor Jahrzehnten erfolgte unsachgemäße Freilegung des übertünchten Deckengemäldes zurückzuführen, die mit Stahlwolle ausgeführt wurde, die den Verlust der eigentlichen Bildoberfläche und eine schlimme Verkratzung mit sich brachte. Es soll versucht werden, durch vorsichtige Retuschen und Ergänzungen ein besseres Ergebnis zu erzielen“.

Hatte 1951 Alfred Lauer nicht ordentlich gearbeitet? Eine bis heute nicht zu klärende Frage. August Kicker lies die Kritik nicht auf sich sitzen, arbeitete nach, was im August 1986 dann folgendermaßen beurteilt wurde:
Aufgrund eines Avisos Besichtigung am 6.8.1986. Zu diesem Zeitpunkt war das Fresko schon weitgehend überarbeitet und der Eindruck wesentlich besser, zu bemängeln war noch die etwas schwächliche Charakterisierung der Puttenköpfe. Neuerliche Besichtigung am 20.8.1986. Der Restaurator hatte dem Wunsch Rechnung getragen, der Gesamteindruck ist befriedigend, die Wiederherstellung kann als abgeschlossen betrachtet werden. Diesbezüglich am 5.9.1986 Telefongespräch mit dem Direktor des BG,
Dir. Schmidgruber, der sich nunmehr voll befriedigt erklärte“.

Sechzehn Jahre später, im Frühjahr 2002, machte das Franz Anton Maulpertsch zugeschriebene Fresko erneut Probleme. Putz- und Malschichten waren in ihrer Stabilität so stark beeinträchtigt, dass sie abzufallen drohten. Es wurden seitens des Hauseigentümers, der Piaristenordensprovinz, Maßnahmen gesetzt, die dem BDA aber nicht fachgerecht genug waren. Im November 2002 kam Folgendes zu den Akten:
„… Wie in der Sachverhaltsdarstellung erläutert, wurde am 25.5.2002 seitens des Nutzers festgestellt, dass sich das qualitätsvolle Fresko von Franz Anton Maulpertsch vom Putzträger bzw. Untergrund zu lösen beginnt. Die darauf folgende Pölzung der betroffenen Bereiche erfolgte ohne Verständigung des Bundesdenkmalamtes. Da sowohl diese Maßnahme als auch die in der Folge in die Wege geleitete Einrüstung auch ohne die Beiziehung eines Fachmannes d.h. Restaurators erfolgte, wurde das Aufstellen eines Gerüstes seitens des BDA untersagt…
…im Zuge des Ortsaugenscheins musste der BDA-Vertreter auch feststellen, dass ein stukkierter Deckenspiegel in der ehem. Kanzlei ohne Genehmigung oder Verständigung des BDA vom Nutzer (Stadtschulrat) entfernt und durch eine neue glatte Decke ersetzt wurde. Es wird seitens des BDA selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Deckenspiegel in seiner ursprünglichen Form wiederhergestellt wird“. 

2017 – am Ende des Altpiaristner-Projekts – war der Boden fachgerecht instand gesetzt, die Bibliothekskästen durch einen Holzrestaurator gereinigt und gepflegt und neue Rollos zur Abdunkelung montiert. Der erleichterte und dankbare Blick „gegen den Himmel“ verhieß aber, was das Fresko betrifft, nichts Gutes. In einer Ecke zeigte sich ein deutlicher Riss. 

Der umgehend informierte Orden ließ durch einen Statiker die Decke prüfen. Sie wurde im betroffenen Bereich abgestützt.

Die Akten des Bundesdenkmalamtes werden nun wohl durch ein weiteres Fresko-G’schichterl noch umfangreicher.    HD

Quellenangabe: Akten des Bundesdenkmalamtes