gerstbergerMJg 1974 / Richter am Landesgericht für Strafsachen Wien

Im März diesen Jahres machte er, durch seinen Vorsitz beim sogenannten „Islamistenprozess“ oder auch als „Terrorprozess“ bekannt, Schlagzeilen, als er eine umstrittene Entscheidung fällte und eine Angeklagte wegen des Tragens einer Burka vom Prozess ausschloss. Aber auch schon früher machte er immer wieder von sich reden, wenn es darum ging, die vor einigen Jahren durchgeführte Auflösung des Jugendgerichtshofs zu verhindern.

AP: Sie haben 1974 maturiert. Wie ist es dann in Folge weitergegangen?

Wie für viele junge Burschen hat für mich nach der Schulzeit der Präsenzdienst begonnen. Dabei wollte ich es aber nicht belassen und hatte den Wunsch auch während meiner Zeit beim Bundesheer ein Studium zu beginnen. Da bot sich Jus an, da es hier auch am Abend Lehrveranstaltungen gab, die ich besuchen konnte. Nach nur neun Semestern promovierte ich und absolvierte anschließend gleich mein Gerichtsjahr. 1980 wurde ich Richteramtsanwärter und bereits 1983 erfolgte meine Ernennung zum Richter. Ich war damals im Jugendgerichtshof eingesetzt. Im Jahr 2000 wurde ich zum Obmann der Jugendrichtervereinigung gewählt und hatte eine schwere Zeit vor mir, da aus einem reinen Politikum heraus der Jugendgerichtshof 2003 vom damaligen Justizminister Dr. Böhmdorfer aufgelöst und ins Landesgericht für Strafsachen Wien eingegliedert wurde.

AP: War es immer schon ein Wunsch von Ihnen Richter zu werden?

Anfänglich wollte ich eigentlich Deutsch- und Geschichtsprofessor werden, aber die bereits erwähnten Umstände haben mich zu einem Jus-Studium bewogen. Und selbst nach Abschluss des Studiums war die Richtung noch nicht völlig klar, da ich auch ein Angebot erhalten hatte, als Assistent am Institut für Verfassungsrecht tätig zu werden. In meinem Gerichtsjahr wurde mir aber nahe gelegt mich vielleicht doch auch mit der Perspektive Richter zu werden, auseinander zu setzen. Ich bin aber sehr froh, dass sich alles so entwickelt hat wie es heute ist, denn der Beruf des Richters ist sehr spannend und meiner Ansicht nach auch sehr wichtig für das Funktionieren eines Staates. Außerdem kann ich meinen „Traumberuf“ ja trotzdem ausüben, da ich neben meiner Tätigkeit als Richter auch noch mit einer minimalen Lehrverpflichtung das Fach „Politische Bildung“ auf der HBLA Grinzing unterrichte.

AP: Was macht für Sie den Beruf des Richters so spannend?

Für mich haben Richter eine sehr wichtige gesellschaftspolitische Position. Diese Trennung zwischen, Legislative, Exekutive und Judikative ist in meinen Augen essentiell dafür, dass ein Staat funktionieren kann. Ich bin auch ein glühender Verfechter, dass die Gerichtsbarkeit unabhängig bleibt und das ist auch das spannende an dieser Tätigkeit. Ein Richter muss immer fair sein und sich zuerst einmal alle Sichtweisen anhören, bevor er sich eine eigene Meinung dazu bildet. Dabei ist es aber wichtig, nicht der „strafende Richter“ zu sein, sondern einer, der Gerechtigkeit bzw. einen Kompromiss schafft.

AP: Sie waren im März im Zuge des sogenannten „Islamistenprozesses“ in aller Munde. Wie schwierig war es die Entscheidung zu treffen, die Angeklagte vom Prozess auszuschließen?

Es war für mich wirklich eine sehr schwierige Entscheidung. Ich habe mich lange damit beschäftigt, habe ausführlichst recherchiert, ob es in Europa einen Präzedenzfall für so eine Situation gab, doch so etwas hat es in Europa vorher noch nicht gegeben. Und auch wenn diese Entscheidung im Nachhinein von vielen Seiten doch sehr stark kritisiert wurde, denke ich – und das wurde mir auch von vielen Experten, Kollegen und Personen aus der Wissenschaft reflektiert – die richtige. Es geht im Richterberuf oft darum abzuwägen, welches Recht nun den Vorrang hat. Besonders heikel wird es, wenn es um die persönlichen Rechte, wie der Religionsfreiheit, geht.

AP: Sie sind nun bereits fünfundzwanzig Jahre Richter. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Nachdem 2003 der Jugendgerichtshof aufgelöst und in das Landesgericht Wien integriert wurde, habe ich als Obmann der Jugendrichtervereinigung dafür gekämpft, dass es diese Institution bald wieder geben soll. Nun wird ja bereits ein Gebäude errichtet, schön wäre es, wenn es auch bald wieder einen darin Platz findenden Jugendgerichtshof geben würde.

AP: Der Beruf des Richters und des Rechtsanwalts ist in der Gesellschaft sehr angesehen. Filme und Fernsehserien über Rechtsanwaltskanzleien, Strafprozesse und die Gerichtsbarkeit boomen. Viele Eltern von Schülern des BG 8 sind selber Juristen und dieser Berufsstand ist auch in unserem Verein sehr stark vertreten. Daher haben auch viele Jugendliche den Wunsch diesen Berufsweg einzuschlagen. Welche Tipps erfolgreich ans Ziel zu kommen, können Sie hier geben?

Wichtig ist auf alle Fälle der gute sprachliche Ausdruck – man denke nur an die Plädoyers oder Urteilsbegründungen die man in so einem Prozess halten muss. Denn wer gut reden kann, der kann seine Sache auch gut verkaufen. Wenn man also als Schüler gute Aufsätze schreiben kann und auch beim Halten von Referaten keine Probleme hat, dann sind das bestimmt sehr gute Voraussetzungen. Weiters braucht man auch eine gute Allgemeinbildung und hier vor allem ein starkes Interesse an historischen und politischen Ereignissen. Für den Beruf des Richters im Speziellen ist natürlich ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn Voraussetzung.

AP: Hat Sie die Ausbildung im Piaristengymnasium bei Ihrem beruflichen Werdegang unterstützt?

Ich erinnere mich gerne an unseren Geschichtsunterricht bei Prof. Hollek. Er hat mich sehr geprägt und es geschafft, mein ohnehin schon vorhandenes großes Interesse für die Geschichte noch zu verstärken. In Deutsch allerdings kam es immer wieder zu Konflikten mit unserem Professor – diese waren aber hauptsächlich inhaltlicher Natur – genauso wie in Religion, wo es durch meine, bereits in frühen Jahren ausgeprägte kirchenkritische Haltung, immer wieder zu Diskussionen kam. Eine große Herausforderung stellten für mich die Naturwissenschaftlichen Fächer dar: Physik, Chemie und Mathematik. Mein Glück war, dass ich mich sehr für fremde Länder und Kulturen interessierte und daher in Geographie einer der Besten in unserer Klasse war, denn unser Chemieprofessor war auch gleichzeitig unser Geographieprofessor und dadurch, dass er mich aus Geographie als sehr guten Schüler kannte, half er mir auch bei Chemie, wo ich der Schlechteste war, durchzukommen. Alles in allem waren wir eine sehr gute Klassengemeinschaft, denn von den 36 Schülern, die bei uns in der 1.Klasse begonnen hatten, sind auch alle bis zur Matura immer zusammen geblieben.

AP: Sie sind ein viel beschäftigter Mann – Richter, Obmann der Jugendrichtervereinigung, Lehrer, … - bleibt da noch Zeit für Hobbys?

Wie vorher bereits erwähnt, interessiere ich mich sehr für fremde Länder und Kulturen. Daher reise ich sehr gerne wobei ich meinen Schwerpunkt im Nahen Osten und Südostasien gesetzt habe. Aber auch Lateinamerika und Ostafrika haben es mir angetan. Ich mache auch gerne schöne Fotos von meinen Reisen um mich im Nachhinein daran gerne zu erinnern und ich lese gerne. Das bildet meinen Ausgleich zum beruflichen Alltag.   MR / 2008