Heuer jährte sich unsere Matura zum 60-ten Mal. Ein ganz besonderer Grund zum Feiern! Zu 21 der ehemals 31 Mitschüler konnte in den vergangenen Monaten Kontakt aufgenommen werden, davon haben sich nur vier letztendlich entschuldigen müssen, sodass die stattliche Anzahl von 17 Personen am Jubiläumstreffen am 14. Oktober 2017 teilnehmen konnte.

Wir waren damals (1949 – 1957) in jeder Hinsicht eine ungewöhnlicher Gruppe. 1949, als wir 4 Jahre nach Kriegsende ins Piaristengymnasium eintraten, gab es erstmals zwei erste Klassen (1A und 1B), und unsere 1B war in der langen Geschichte des Gymnasiums die erste, in der Mädchen aufgenommen wurden, und davon gleich vier an der Zahl. Beide Klassen, insbesondere die “B”-Klasse, beheimateten extrem “lebhafte” Schüler, denen jedes Mittel recht war, Ärger und Unfug im Gymnasium zu stiften. Als Folge dessen “schrumpften” beide Klassen stetig, wobei die B-Klasse am Ende des 4. Jahres nur mehr 9 Schüler aufwies.

Also wurden beide Klassen ab dem 5. Jahr zusammengezogen … was aber unserem originellen Wirken kaum Abbruch tat. Falls der Leser bereits neugierig geworden ist: Leider ist es nicht möglich, hier alle Untaten aufzuzählen. Erstens waren es derer zu viele – und außerdem wollen wir nicht wegen „Anstiftung zu Sachbeschädigung“ belangt werden. Also nur ein paar “harmlose” Beispiele, die alle - aus technischen Gründen - heute keine Nachahmer mehr finden können:
1955, damals in der 6. Klasse, hatten wir die Direktion irgendwie überredet, dass wir – trotz der vielen seit Kriegsende wieder in Betrieb genommenen Öffis – den Schulweg nur mit Fahrrädern bewältigen könnten. Und so stand dann tatsächlich im Klassenzimmer (wo sonst!), vorne neben der Tafel, immer eine beträchtliche Zahl an Fahrrädern, deren sachkundige Inspektion manche Pause verkürzte. Aber nicht genug damit. Einige der Radfahrer schleppten sich jeweils am Beginn der Turnstunden unter lautem Jammern in den Vorraum des Turnsaals (damals gleich rechts beim Haupteingang gelegen) und machten glaubhaft, dass sie solche Rücken-, Bein- oder sonst-was-für Schmerzen hätten und nicht am Turnunterricht teilnehmen könnten. Dann flugs hinauf in die Klasse, die Bänke in der Mitte zu einem möglichst engen Rechteck zusammengeschoben … und los ging‘s: Radkriterium in der Klasse! Wir sind bis zum Ende dieser langen Periode sportlicher Höchstleistungen nie aufgeflogen. 
Es ging sogar so weit, dass die Herausgabe einer Schülerzeitschrift initiiert wurde, der “Komet”. Diese, anfangs nur auf radsportliche Aktivitäten und Erlebnisse ausgerichtet, entwickelte bald einen “härteren” Ton, was letztendlich mit dem Hinauswurf eines der Redakteure endete. Schade! Aber auch dieser Kollege ließ es sich nicht nehmen, zum Maturatreffen zu kommen.

Bereits ein Jahr davor (1954!) hatten wir so eine Art “WLAN” in der Klasse installiert, wobei “W” hier aber nicht für “wireless” sondern für “wired” steht: Unter Zuhilfenahme vieler Meter Draht verbanden wir einige “Detektorempfänger” (eine Urform des Radios, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Detektorempfänger) mit mehreren Kopfhörern und schlossen dieses System an den außen vor einem der Fenster des Klassenzimmers befindlichen Blitzableiter an, der als Antenne diente. Die dort eingefangene Leistung lieferte ausreichend Energie zum Betrieb unseres (ohne Netz- oder Batteriestrom aufgebauten!) WLAN-Systems. Damit konnten wir während des Unterrichts den damals sehr populären Mittelwellensender “RWR” – Abkürzung für “Rot-Weiss-Rot” (siehe  https://de.wikipedia.org/wiki/Rot-Wei%C3%9F-Rot_(Sender) ) empfangen  (UKW oder Fernsehen gab es damals ja noch nicht) und so populäre Sendungen wie “Vergnügt um elf“ ungestört hören. Ungestört halt nur so lange, bis bei einer besonders rhythmischen Musiknummer einige im Takt synchron zu wippen begannen und das Ganze aufgeflogen ist – ab dann also wieder Unterricht ohne Musikberieselung.

Auch das Studium physikalisch-chemischer Effekte, wie z.B. die Bestimmung des Heizwerts eines (mit Eintragungen bereits voll gespickten) Klassenbuchs, das in einer Pause unter den freudig erregten Blicken der umstehenden Mitschüler im Ofen verschwand, kann heute nicht mehr nachgeahmt werden. Wo findet man denn heute noch in Klassenzimmern koksbeheizte Öfen?
Diese Aufzählung unserer Untaten ließe sich noch lange fortsetzen, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir die meisten unserer Lehrer durchaus respektiert, und einige sogar ganz besonders geschätzt haben. Nicht nur wir waren “Kriegsgeneration”, das gilt besonders für unsere Lehrer, von denen einige im Krieg viel mitgemacht und sich davon damals noch nicht erholt hatten.

Viele unserer Erinnerungen kamen am 14. Oktober wieder ans Tageslicht. Am Beginn unseres Treffens stand eine – von den beiden aus unserer Klasse hervorgegangenen Geistlichen gestaltete – Gedenkfeier für unsere verstorbenen ehemaligen Mitschüler. Zwei musikalisch sehr begabte Mitschüler haben diese Feier, die in der Kapelle des Gymnasiums stattgefunden hat, am Klavier und Cello musikalisch untermalt. Es war eine sehr berührende Stunde. Danach hatten wir Gelegenheit, im Rahmen eines vom Präsidenten der Altpiaristner, Herbert Dobrovolny, organisierten Rundgangs durchs Gymnasium, uns zu erinnern und auch die Veränderungen seit 1957 zu bestaunen. Der Ausklang unseres Treffens fand nachher im Café-Restaurant Maria Treu statt – es wurde ein langer Abend. Es hat sich gezeigt, dass unsere verschworene Bande noch immer fest zusammenhält, der Ruf nach baldigen weiteren Zusammenkünften war unüberhörbar.

Rudolf Dobrozemsky

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1. Reihe (von links nach rechts): Alfred Gutmann, Dipl.-Ing. Christian Siegl, Pater Provinzial Clemens Breineder, Prof. Dr. Charles Bohatsch, Erhard Baurek, Alois Husser, Norbert Orac, Univ.-Prof. Dr. Rudolf Dobrozemsky
2. Reihe (von links nach rechts): Mag. Horst Hochhauser, Peter Machac, Dr. Gerhard Neuhauser, Dr. Wolfgang Boesch (von Bohatsch teilweise verdeckt), Dr. Herta Forcher (geb. Jähnl), Univ.-Prof. Dr. Eugen Dönt, Dr. Dietrich Schüller, OLGR Dr. Helmut Gartner, Heinz Tomek

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Fast pünktliches Eintreffen

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    „Du bist doch der….??“

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Rudi begrüßt seine Klassenkollegen

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    … und die beiden Musiker

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Ökumenisches Gedenken

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      Heinz Vondra nimmt die „60-er“ in Empfang

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„Der Dachboden war doch nicht ausgebaut…“

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    „Das Konferenzzimmer war doch um die Ecke…“

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Staunen im Computerraum

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    „Schön ist sie geworden, die Bibliothek“

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Der gemütliche Ausklang…

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    …im Café Maria Treu

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Dr. Helmut Gartner schenkte den Altpiaristnern eine Druckgrafik.
Corvinus, Johann August: Die Piaristen-Kirche um 1725