Schüler-Memoiren aus sieben Jahrzehnten.

1892, dem Jahr, aus dem unser Einleitungsbild stammt, war noch keine Rede vom "Verein der Altpiaristner". 
Wahrscheinlich waren die Schüler des Jahres 1892 nach ihrer Matura Mitglied in der "Kollegen-Vereinigung" der Piaristner. Und sicher hatten sie ihre persönlichen Erinnerungen an eine Schulzeit, die im 21. Jahrhundert (glücklicherweise) anderen Regeln folgt als vor 120 Jahren.

Zum 70-Jahr-Jubiläum der ALtpiaristner haben wir Euch eingeladen, in den Erinnerungen zu kramen und uns die persönlichen Gedanken an die Zeit im Piaristengymnasium zu schicken.
Die G’schichtln sind so vielfältig wie die Schar der Schüler/-innen, die mehr oder weniger der acht notwendigen Jahre am Jodok-Fink-Platz verbrachten.
Teil 1 zeigt die Kreativität im technischen und musischen Sinn.

„Auf Draht“, um Radio zu hören

Obwohl ich niemals ein technisches Genie war, habe ich im Herbst 1951 einen Kurs für Radiotechnik in der Volkshochschule Wien-West besucht. Das Ergebnis war ein Portable Radio in der Größe von etwa 5x10x20 cm. Nun war ich interessiert, die zu dieser Zeit beliebteste Sendung für die Jugend „Musik um 11.00“ abzuhören.
Leider fand zu dieser Zeit immer Unterricht statt, auch samstags.
Kurz entschlossen nahm ich das Gerät in die Schule mit. Die Pausen waren zu kurz. So versuchte ich während des Unterrichts die Sendung zu hören. Dies gelang jedoch nur mit einer Antenne, die ich in der Pause auf der Dachrinne befestigte.

Wir hatten Deutsch-Stunde mit dem Direktor Dr. Werner Tschulik. Er hatte die Gewohnheit, den Katheder zu verlassen und durch das Klassenzimmer zu schreiten. „Was ist das für ein Draht?“ ertönte sein Ruf und er hielt meine Antenne in der Hand.
Schuldbewusst meldete ich mich. Er war in großzügiger, gnädiger Verfassung. Mit kurzen Worten, den Draht abzumontieren, war die Sache erledigt.
August Kos, Maturajahrgang 1953

„Feuerzangenbowle“ und humanistische Bildung

Wohl der beste Film aller Zeiten, der von der Schule handelt, war „Die Feuerzangenbowle“. Untertitel: „Dieser Film ist ein Loblied auf die Schule, aber es kann sein, dass die Schule das nicht merkt“.
Das Ergebnis unserer Gymnasialzeit am Piaristengymnasium (1951-1958) war im Endeffekt eine ausgezeichnete humanistische Allgemeinbildung, an der auch manche „Feuerzangenbowliaden“ nichts ändern konnten:
Den Beginn machte eine Deutschlehrerin in der 2.b- Klasse, die neben ihren pädagogischen Defiziten selbst mit der deutschen Orthographie auf Kriegsfuß stand, zum Ausgleich hatte die 2.a-Klasse den  ausgezeichneten Deutschlehrer Dr.Bamberger, als Chef und Begründer des Buchklubs der Jugend über die Grenzen unserer Schule hinaus österreichweit ein Begriff. Der Lateinunterricht in der 3.b begann wenig vielversprechend mit einem Lehrer, dessen pädagogische Fähigkeiten zum Lateindesaster der B-Klasse  geführt hätten, wäre nicht unser Klassenvorstand Resch auf den Plan getreten und hätte erreicht, dass dieser Lehrer mit Prof. Schütz, dem Lateinlehrer der A-Klasse  ausgetauscht wurde. Ob die A-Klasse wirklich soviel „braver“ war als wir und daher den Lehrerwechsel aushalten konnte, sei dahingestellt. In der vierten Klasse gab es wieder in beiden Klassen einen gemeinsamen Lateinlehrer. Herr Brix zeigte starke Feuerzangenbowlenansätze, trotzdem wird ihm von manchen ehemaligen Schülern noch heute zugestanden, dass sie seiner merkwürdigen Unterrichtsmethode verdankten, mit den bei ihm erlangten Lateinkenntnissen bis zur Matura erfolgreich „durchgetaucht zu haben“.

Die Oberstufe war gekennzeichnet von zwei Lehrern, die für die Formung unserer humanistischen Bildung essentiell waren: Dr.Scholtze in Griechisch und Dr.Voglsang in Deutsch. Während es Ersterer verstand, uns die griechische Mythologie und Geschichte anhand der erarbeiteten Originaltexte anregend zu vermitteln und seinen Unterricht mit Diavorträgen aus seiner persönlichen Reisetätigkeit in Griechenland immer wieder spannend zu unterlegen, gelang es Dr.Voglsang, unsere Kenntnis der deutschen Literatur von der Klassik bis in die Gegenwart umfassend und nachhaltig zu formen. Last but not least sei noch unseres langjährigen Klassenvorstands Prof. Resch (B-Klasse ab der dritten Schulstufe, A-Klasse ab der Zusammenlegung in der fünften Klasse) gedacht. Er hat uns nicht nur Mathematik und Physik in für ein humanistisches Gymnasium passender Intensität vermittelt, sondern sich auch in den vielen Jahren als „Vater“ unserer Klasse im wahrsten Sinne des Wortes bewährt. Insgesamt werden mir die acht Jahre am Piaristengymnasium als wertvolle Starthilfe ins Leben immer präsent bleiben.
Günter Braun, Maturajahrgang 1958

Pietati et litteris

Die Glocke in dem schul`schen Hause,
Sie läutet aus die k l e i n e Pause.
Jetzt komt die g r o ß e – ach, wie fein! –
Das Pfäfflein Bobosch tritt herein.
Man nennt sein Fach im Haus zwar schon
Seit allen Zeiten „Religion“,
Doch – ach! – die Schüler essen Jause
Und seh`n die Stunde an als Pause.
Der Bobosch kommt und sagt: „Wir beten!“
Heinbucher tut den „Tschick“ abtöten,
Und alle falten jetzt die Hände
Und hoffen, dass dies bald zu Ende,
Denn jeder will nun mal beginnen,
Über ein Beispiel nachzusinnen,
Das Papa Resch uns vorhin eben
In Mathematik aufgegeben.
Wer aber in Mathe so gut,
Dass er dies eben jetzt nicht tut,
Der macht halt Griechisch – oh wie fein! –
Oder mitunter mal Latein,
Denn wer beim Vogerl hat `nen Vierer,
der übersetzt mit einem Schmierer.
Darüber als Geräuschkulisse
Schwebt Papa Schmidtens Wortgezische,
Das -gleichsam wie am Kopf der Hut –
Über dem ganzen Treiben ruht.
Der Bobosch sucht – es ist enorm! –
Bisweilen auch eine Reform:
Da ist er äußerst darauf wild,
Dass er ein Mathe-Heft sich stiehlt,
Um dann den Schüler, will er schwätzen,
Mit diesem unter Druck zu setzen.
Doch, ach, ein andrer nimmt, o Schreck!,
Das Heft ihm vom Katheder weg
Und Bobosch muss sich weiter plagen
Und gänzlich resiginiert sich sagen,
Dass Keiner etwas lernen will.
So duldet er den Unfug still
Und sagt sogar – was komisch ist –
Auch nichts dazu, wenn einer frisst.
Das nächste Läuten kündet an,
Dass jetzt die kleine Paus` begann,
Und nach dem Beten sagt der Pfaff
-Darob sind alle Schüler paff! –
„Einst sagte einer: `s ist umgeben
Ein Fass von lauter Reifen eben.
Doch mich umgeben, glaub`ich`s kaum,
Nur Unreife in diesem Raum!“
Da sagt ein Schüler: „Herr Professor!“
-Der Witz, der jetzt kommt, ist viel besser! –
„Sie sind wahrscheinlich auch kein Fass!“
Da läuft der Bobosch aus der Klass`.

Auszüge aus der Maturazeitung Jahrgang 1958
(Gedicht von Günter Braun)

Teil 2, den wir im Juni veröffentlichen, zeigt, wie unterschiedlich die Schulzeit – und auch die Professoren/-innen erlebt wurden...