unterbergerMJg 1967 / Journalist

Dr. Unterberger war jahrelang die „Seele“ der Tageszeitung „Die Presse“. Nun ist er seit 2005 Chefredakteur der „Wiener Zeitung“.

AP: Sie haben im Jahr 1967 am Piaristengymnasium maturiert. Wie ist es dann weitergegangen? Wie sind Sie einer der bekanntesten Journalisten Österreichs geworden?

Nach meiner Schulzeit habe ich mich zuerst meinem Jus-Studium gewidmet. Nebenbei habe ich auch Volkswirtschaft zu studieren begonnen und anschließend im Institut für Höhere Studien Politikwissenschaft. Diese beiden Studien habe ich jedoch nicht abgeschlossen, da ich damals ein Inserat gesehen habe, in dem „Die Presse“ eingeladen hat, sich für die Lehrredaktion zu bewerben. Ich habe mich sehr für diese Herausforderung interessiert und deswegen sogar auf ein mir gleichzeitig zugesprochenes Auslandsstipendium in London verzichtet. Auf dem Weg über diese Lehrredaktion bin ich zur „Presse“ gekommen, bei der ich schließlich lange Zeit als Journalist tätig war. In den 31 Jahren in diesem Haus habe ich verschiedene Ressorts durchlaufen, zuerst die „Chronik“, dann „Außenpolitik“, ich bin dann schließlich auch zum Ressortleiter aufgestiegen. Die letzten 9 Jahre bei der „Presse“ war ich Chefredakteur. Im Jahr 2005 wechselte ich zur „Wiener Zeitung“, wo ich bis heute Chefredakteur bin.

AP: Sie waren doch lange Zeit die „Seele“ der „Presse“. Wie ist es zu dem Wechsel gekommen?

Es hat beim Vorstand unseres Eigentümers ein Personalwechsel stattgefunden, und der neue starke Mann glaubte durch Installation eines seiner langjährigen Freunde frischen Wind in die bestehenden Strukturen zu bringen. Die Leserzahlen der „Presse“ sind aber heute niedriger als je zu meiner Chefredakteurszeit.

AP: Was sind die Aufgaben eines Chefredakteurs?

Der Chefredakteur ist prinzipiell Letztverantwortlicher für den Inhalt der Zeitung. In beiden Häusern, sowohl bei der „Presse“ als auch bei der „Wiener Zeitung“ ist der Chefredakteur weisungsfrei und unabhängig. Das heißt, der Inhalt wird nicht von den Besitzern vorgegeben, allerdings muss man sich natürlich an den Interessen der Leser orientieren.Aber die Erstellung einer Zeitung ist vor allem Teamarbeit von allen Mitarbeitern in den verschiedenen Ressorts. Und ich bringe mich in jeder Ausgabe mit einer persönlichen Kolumne auch selbst ein..Darüber hinaus gibt es auch viele Termine, die man als Chefredakteur wahrnehmen muss, wie zum Beispiel die Teilnahme an Podiumsdiskussionen und Vorträgen. Neben der journalistischen Tätigkeit ist man aber auch Chef einer Redaktionsmannschaft und hat daher auch sehr viele administrative Aufgaben. Mir obliegt zum Beispiel die Personalverantwortung, das Budget muss erstellt und eingehalten werden, Marketingaktivitäten müssen gesetzt werden, und schließlich sollte man auch Lehrredaktionen organisieren, um den Journalistischen Nachwuchs zu fördern. Aber nach all den Jahren macht mir natürlich immer noch das Schreiben am meisten Spaß.

AP: Zum Stichwort Journalistischer Nachwuchs: Welche Tipps können Sie jungen Leuten geben, die gerne Journalist werden möchten?

Ich empfehle unbedingt ein solides Studium. Also kein Studium wie die furchtbar überlaufene Publizistik, welches als extrem leicht und substanzlos angesehen wird, und welches man im journalistischen Beruf sowieso nicht, oder wenn, dann nur eingeschränkt verwenden kann. Daher schaffen es nur relativ wenige Publizisten in die Redaktionen. Mit einem Wirtschafts- oder Jusstudium hat man sicherlich die besten Karten. Aber wir hatten auch schon Naturwissenschafter, Historiker und Philosophen in der Redaktion und in ihnen sehr gute Kollegen gefunden. Ein seriöses Studium ist vor allem auch in Hinblick darauf wichtig, dass es mit dem Journalismus nichts wird, dass man dann noch andere Alternativen hat.

AP: Viele sehen den Beruf eines Journalisten als Traumberuf. Das Klischee lautet, dass man viele interessante Leute kennenlernt und man selber der breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Ist die Tätigkeit in einer Zeitungsredaktion für Sie wirklich ein Traumberuf?

Teilweise ist das Klischee sicherlich richtig. Man lernt viele interessante Persönlichkeiten kennen und dadurch, dass es immer neue Herausforderungen gibt, wird einem nie langweilig. Jedoch ist der Beruf des Journalisten auch ein schwieriger, da man sich doch in einer einflussreichen Position befindet. Das bewegt natürlich sehr viele Leute aus Politik, Wirtschaft und Kultur, einen Zeitungsmitarbeiter sehr zuvorkommend zu behandeln, und man braucht dann schon eine sehr stabile Persönlichkeit, damit einem so eine Situation nicht ins Hirn steigt. Man muss bei all den indirekten Korrumpierungsversuchen durch Lob und Schmeichelei sehr gut unterscheiden, zwischen denjenigen, die einen nur beeinflussen und auf ihre Seite ziehen wollen, und denjenigen, die das wirklich gerne machen, weil sie dich als Person schätzen.Ein weiterer negativer Aspekt dieses Berufs ist sicherlich, dass der österreichische Zeitungsmarkt nicht besonders groß ist, dass man also wenig berufliche Alternativen hat. Dazu kommt auch noch der Druck von jungen, nachstossenden Kollegen, welcher meistens dazu führt, dass man mit 40 – 50 Jahren in eine Krise schlittert. Man ist einfach zu teuer für die Zeitung und wird dann relativ leicht und schnell durch jemanden Jüngeren ersetzt. Daher sollte man sich bis zu diesem Zeitpunkt in eine Position gebracht haben, in der man eben nicht so leicht ausgetauscht werden kann.

AP: Hat Sie die Ausbildung im Piaristengymnasium, Ihrer Meinung nach, gut auf Ihre beruflichen Tätigkeiten vorbereitet?

Die Ausbildung am Piaristengymnasium bildete sicherlich eine gute Basis. Hervorzuheben sind der exzellente Deutsch- und Lateinunterricht in dem, zumindest zu meiner Zeit, noch präzise Grammatik richtig gepaukt, aber auch eine breite Kenntnis der Literatur vermittelt wurde. Wir wurden auch immer sehr zum Zeitungslesen angespornt. Aber auch die Fächer Geschichte, Geographie, Philosophie und Mathematik habe ich noch in sehr positiver Erinnerung. Was zu meiner Zeit vernachlässigt wurde, war die Ausbildung in „lebenden“ Fremdsprachen. So hatten wir Englisch nur bis zur vierten Klasse – in der Oberstufe konnte man lediglich einen Freigegenstand besuchen. Und gerade mit Sprachen kam ich dann durch meine Tätigkeit in einer außenpolitischen Redaktion sehr intensiv in Kontakt. So habe ich versucht, mir einiges in Englisch, Italienisch und Französisch anzueignen, was durch die ausgezeichneten Lateinkenntnisse dann doch relativ leicht war. Insgesamt kann ich sagen, dass das Piaristengymnasium zu meiner Zeit eine sehr gute Mischung aus einer leistungsorientierten und einer wertekonservativen Basis vermittelt hat, die zugleich eine große liberale intellektuelle Offenheit geboten hat.

AP: Welche Erinnerungen verbinden Sie mit ihrer Schulzeit?

Ich denke, dass ich sicher ein guter, aber sicher auch ein recht schwieriger Schüler war. Zum Beispiel hatte ich in einem Halbjahreszeugnis der Oberstufe lauter Einser, nur in Betragen schien die Note „drei“ auf. Aber für mich selbst kann ich nur Gutes über meine Schulzeit berichten, ich hatte später im Leben nie so viel Spaß wie damals. Das mag – so komisch das vielleicht klingt – auch damit zusammenhängen, dass wir eine reine Bubenklasse waren und wir einfach sehr viel miteinander unternommen haben. Wir haben zum Beispiel viel gemeinsam Fußball gespielt, waren in der Tanzschule und in der Oper. Streiche standen natürlich auf der Tagesordnung – die mir heute leid tun - und unsere Lehrer hatten es bestimmt nicht leicht mit uns.Nach unserer Matura hatten wir ja sogar Hausverbot, da wir eine Maturazeitung herausgegeben hatten, die nicht den Vorstellungen unseres damaligen Direktors entsprochen hatte. Aber mittlerweile darf ich ja schon wieder in die Schule und bin hoffentlich auch gerne gesehen.

AP: Vielen Dank für das Gespräch.

Anm.d.Redaktion: Wir erinnern uns gern an den Vortrag: „Muss man sich vor den Medien fürchten?“ , den Kollege Unterberger am 8.Juni 2000 in der alten Bibliothek unserer Schule gehalten hat!   MR / 2008